Als Biodiversität bezeichnet die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen die Vielfalt aller lebenden Organismen, Lebensräume und Ökosysteme auf dem Land, im Süßwasser, in den Ozeanen sowie in der Luft. Die Artenvielfalt stellt einen Teilaspekt der Biodiversität dar und ist letztlich das Maß für die Anzahl an Arten. Wie viele Arten genau existieren, ist nicht bekannt und kann nur näherungsweise geschätzt werden. Schätzungen variieren zwischen 2 und 11 Millionen Arten. Weltweit sind derzeit erst etwa 1,8 Millionen Arten dieser Vielfalt (Tiere, Pflanzen und Pilze) beschrieben. In Deutschland sind etwa 71.500 Arten nachgewiesen. Eine vollständige Auflistung der derzeit auf der Erde lebenden Arten ist für die Wissenschaft nicht realisierbar und es ist zu befürchten, dass viele Arten noch vor ihrer Entdeckung ausgestorben sein könnten. Es ist erschreckend wie viele Arten bereits ausgestorben sind und das nachweislich durch unser menschliches Handeln. So leben heute 60 Prozent weniger Wirbeltiere auf der Erde als noch 1970, in Deutschland sind zwischen 1998 und 2009 die typischen Vogelarten der Agrarlandschaft um mehr als 36 Prozent zurückgegangen. Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) warnt in seinem „Globalen Zustandsbericht zur Biodiversität“ vom Mai 2019 vor einem weiteren weltweiten Verlust von bis zu einer Million Arten und den daraus unkalkulierbaren Folgen. Denn in Ökosystemen gibt es sogenannte Kipp-Punkte, an denen plötzliche und unumkehrbare Prozesse eintreten können. Durch das Artensterben sind also ganze Ökokreisläufe bedroht, die wiederum haben konkreten Einfluss auf unsere Lebensmittelherstellung.
Laut des Berichts des Weltbiodiversitätsrats IPBES ist die Hauptursache des Artenrückgangs die veränderte Nutzung von Flächen. Dazu zählen die zunehmende Versiegelung, großflächige Bebauung, der Verlust der Strukturvielfalt der Landschaft und vor allem immer größere landwirtschaftliche Nutzflächen. Kleine, vielfältige Felder sind Monokulturen mit ertragreichen, aber eben artenarmen Ackerbaukulturen gewichen. Die Agrarindustrie verdrängt Baumreihen, Hecken, lose Steinmauern und Brachen. Die Folge sind fehlende Nistplätze, Nahrung und Rückzugsmöglichkeiten für Wildtiere und Vögel. Überdüngung, die mit der Agrarindustrie oft einhergeht, erschwert Pflanzen und Insekten, die nährstoffarme Böden brauchen, das Überleben.
Auch die Menge an Fluginsekten ist in den letzten 30 Jahren um mindestens 75 Prozent zurückgegangen. Fehlen bestimmte Insektenarten, wirkt sich das unter anderem auf die Bestäubung von Pflanzen und damit auf die Ernte aus. Denn wir brauchen die Insekten als eine Art Dienstleister für unsere Ernte. Nach Angaben der Leopoldina haben Wissenschaftler versucht, diese „Dienstleistungen“ der Insekten zu berechnen. Sie kommen zu dem Ergebnis: Insekten bestäuben weltweit drei Viertel aller Nutzpflanzen und erbringen damit eine Leistung im Wert von 500 Milliarden Dollar im Jahr.
Klar ist also, ohne Artenvielfalt geht es nicht - aber wie können wir aktiv das Artensterben aufhalten? Die Umweltpolitik muss sich verändern. Landwirte erhalten z.B. über die “Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)” der EU Transferzahlungen. Diese Zahlungen bemessen sich bisher vor allem an der Fläche und nicht an ihrer Art der Bewirtschaftung. Wissenschaftler fordern, dass Gemeinwohlleistungen belohnt werden müssen. Die biodiversitätsfreundliche Bewirtschaftung sollte sich also für Landwirte rechnen, damit ökologischer Landbau noch mehr gefördert und die Agrarwende vorangebracht werden kann.
Den Vollzug der Agrarwende fordert übrigens auch das Bündnis einer enkeltauglichen Landwirtschaft. Als Zusammenschluss aus Bio-Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Institutionen der ökologischen Land- und Ernährungswirtschaft setzt sich das Bündnis gezielt für die Agrarwende ein, um den Erhalt der Artenvielfalt zu sichern. Viele unserer Erzeuger und auch unser Ökokisten-Verband unterstützen das Bündnis durch eine Mitgliedschaft.
Aber auch als Konsument selbst haben wir Einfluss, vor allem dann, wenn viele unserer Art mitmachen. Zum Beispiel über die Reduzierung oder den Verzicht von Fleisch, denn gerade unser Fleischkonsum trägt zum Rückgang der Artenvielfalt bei, da Futtermittelanbau und Viehzucht große Flächen beanspruchen und stark industrialisiert sind.
Wir als Ökokiste können noch bewusster regionale, biodiversitätsfreundliche Produkte vermarkten. Darüber hinaus müssen wir grundsätzlich die Wahrnehmung für den Wert von biologischer Vielfalt erhöhen und immer wieder Zusammenhänge erklären, um das Bewusstsein für ein nachhaltiges Konsumverhalten voranzubringen. Aus diesem Grund haben wir Ihnen im Rahmen unserer TUT GUT! Aktion im Mai Produkte von Erzeugern herausgesucht, die sich das Thema Artenvielfalt auf ihre Fahnen geschrieben haben und mit gutem Beispiel vorangehen.
Vorangehen - das sollten wir alle. Lasst uns gegenseitig immer wieder daran erinnern, dass unsere Vielfalt von der Vielfalt aller abhängt und gemeinsam Schritt für Schritt die Agrarwende voranbringen.
Vielfalt ist lebenswichtig!